Geld versus...

Der Erfolg eines Unternehmens in Asien hängt maßgeblich davon ab, ob das Unternehmen die besten  Mitarbeiter für sich gewinnen und  langfristig an sich binden kann.

Nirgendwo in der Welt wird der „War for Talent“ so schonungslos ausgetragen wie in Asien und insbesondere in China. Nach einer Untersuchung des US-Beraters Watson Wyatt nennen 88% der deutschen Unternehmen in China das Thema Personal als größte Herausforderung für ihr Unternehmen in China, weit vor bürokratischen Hindernissen und dem Schutz geistigen Eigentums. Das wahre Ausmaß des Problems ist größer, als der statistische Durchschnitt von 16,4% (in China) vermuten lässt. Denn während viele „gute“ Unternehmen weniger als 5% Fluktuation haben, mussten viele andere Unternehmen mit einer jährlichen Fluktuation von über 25% leben. Was ist das Geheimnis erfolgreicher Unternehmen in Asien?

Money is King?

Der häufigste Irrglaube zum Thema Motivation und Mitarbeiterbindung ist, dass es einzig und allein um eines geht: Geld. In Kreisen ausländischer Unternehmer in Asien zirkuliert der Spruch: „Money is King“ – zu Unrecht, denn eine aktuelle Studie von Wyatt zeigt, dass als Gründe für die Fluktuation zwar „Geld“ seitens der Unternehmen als Grund Nr. 1 genannt wird, nicht jedoch von den ausgeschiedenen Mitarbeitern selbst.

Der Grund für diese verzerrte Wahrnehmung ist einfach: Die Unzufriedenheit eines Mitarbeiters muss nicht mit der Bezahlung zu tun haben (nach der Wyatt-Studie nur in 33% aller Fälle). Aber wenn ein Mitarbeiter sich einmal entschieden hat, das Unternehmen zu verlassen, sucht er natürlich so lange, bis er einen besser bezahlten Job gefunden hat. Der Geschäftsführer sieht also nur das Ergebnis, dass der Mitarbeiter zu einem Job mit höherer Bezahlung wechselte, erfährt aber nicht den Grund, warum der Mitarbeiter unzufrieden war. Der ausscheidende Mitarbeiter ist in der Regel nicht bereit, den wahren Grund zu nennen. Nicht selten ist schließlich der Geschäftsführer selbst oder die Vorgesetzten ausschlaggebend für den Wechsel.

Die Rolle von Geschäftsführer und Vorgesetzten vor Ort

In der Tat spielt die Person des Geschäftsführers eine entscheidende Rolle bei der Mitarbeiterbindung in Asien. Immer wieder lässt sich beobachten, wie die Fluktuation eines Unternehmens in Asien allein durch den Wechsel des Geschäftsführers innerhalb kürzester Zeit von 3% auf 30% hochschnellte oder auch umgekehrt von 30% auf 3% absackte, ohne dass sich dabei die Bezahlung der Mitarbeiter geändert hätte.

Die Bedeutung des Faktors „Mitarbeiterführung“ lässt sich in Umfragen aus der häufigen Nennung der Aspekte „angenehmes Arbeitsklima“, „faire Vorgesetzte“ oder „gute Beziehung mit Vorgesetzten“ ablesen. In der Untersuchung von Wyatt bei ausscheidenden Mitarbeitern manifestiert sich dieser Faktor in der wichtigsten Nennung (Grund Nr. 1 für Jobwechsel) „Stress am Arbeitsplatz“. Dabei muss man wissen, dass Asiaten unter „Stress“ Nervosität und Angstzustände verstehen und nicht die „Arbeitslast“, wie viele Deutsche. Arbeitslast wurde in der gleichen Untersuchung erst an 5. Stelle genannt („Work/Life Balance“).


... Ausbildung

Die Entlohnung, so nehmen viele ausländische Unternehmer in Asien an, ist der maßgebliche Faktor, der über die Loyalität der Mitarbeiter entscheidet.

Bezahlung muss marktgerecht sein Freilich darf die Bezahlung nicht unter den „Marktpreis“ fallen. Der häufigste Fehler bei der Verwendung von Gehaltsstatistiken ist, dass man sich an Durchschnittsgehältern orientiert, ohne zu berücksichtigen, dass Unternehmen auch Mitarbeiter mit überdurchschnittlicher (outperformer) und unterdurchschnittlicher (underperformer) Qualifikation und Leistung haben. Die Orientierung am Durchschnittsgehalt führt dazu, dass die Outperformer das Unternehmen verlassen, während die Underperformer im Unternehmen bleiben.

Deshalb gehört auch zu jedem Mitarbeiterbindungsprogramm eine ausführliche Bewertung von Qualifikation und Fähigkeiten der Mitarbeiter (Management Audit). Überdurchschnittliche Mitarbeiter dürfen ruhig auch überdurchschnittlich verdienen, während unterdurchschnittliche Mitarbeiter auch unter dem Durchschnitt verdienen dürfen, ohne entlassen werden zu müssen. Nur durch die marktgerechte Bezahlung kann man auch Outperformer an sich binden.

Eine Fluktuationsrate von etwa 3% gilt als optimal. Denn um die Fluktuationsrate tatsächlich bis auf nahe 0 zu drücken, würde das Unternehmen mindestens 50% mehr Gehälter zahlen müssen.

Ausbildung nur mit Verpflichtungen

Ausbildung ist eine der wichtigsten nicht-monetären Maßnahmen für Mitarbeiterbindung. Zugleich ist Ausbildung aber ein zweischneidiges Schwert. Besonders gefährlich sind Sprachkurse für Englisch, weil

ein Mitarbeiter in Asien durch fließende Englischkenntnisse oft das Doppelte oder Dreifache seines ursprünglichen Gehaltes verdienen kann. Solange das Unternehmen nicht in der Lage oder bereit ist, die Mitarbeiter nach den erfolgreich absolvierten Kursen entsprechend höher zu entlohnen, sollte das Unternehmen eher die Finger davon lassen. Eine Fortbildung sollte also am besten so spezifisch sein, dass nur der Arbeitgeber selbst – und nicht andere Unternehmen – davon profitieren kann. Dies wird natürlich kaum möglich sein. Deshalb gehören zu jeder Ausbildungsinvestition zwei rechtliche Maßnahmen: Erstens ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das festlegt, dass der Mitarbeiter nicht zum Wettbewerber wechseln darf. Zweitens ein so genanntes „Training Agreement“, mit dem der Mitarbeiter sich verpflichtet, nach der Ausbildung mindestens drei bis fünf Jahre für das Unternehmen zu arbeiten. Sonst muss er die Ausbildungskosten (je nach lokaler Gesetzgebung) entweder vollständig oder anteilmäßig zurückzahlen. Bei Motivation und Mitarbeiterbindung gilt es, eine optimale Mischung von Maßnahmen zu entwickeln, die mit einem gegebenen Budget die höchste Wirkung oder umgekehrt das gegebene Ziel (z. B. 3% Fluktuation) mit den niedrigsten Kosten erreicht. Dabei sind sowohl monetäre (Geld) als auch nichtmonetäre Anreizinstrumente (z. B. Ausbildung) wichtig. Der richtige Maßnahmen-Mix unterscheidet gute Unternehmen mit 3%- und schlechte Unternehmen mit 30%-Fluktuation in Asien

Verfasst von Dr. Kuang Hua-Lin, Geschäftsführer von der Unternehemensberatung Asia-Pacific Management Consulting GmbH, veröffentlicht in der ASIA BRIDGE.