Personalmanagement in China

Personalmanagement in China

Aktuelle Konzepte zum Finden und Halten von Mitarbeitern

Dr. Kuang-Hua Lin
Employee

China bietet weiterhin Wachstumspotenzial, auch wenn sich das Wirtschaftswachstum laut aktueller Prognosen im Oktober 2015 weiter verlangsamt: Demnach liegt das Wirtschaftswachstum 2015 bei 6,8 Prozent und wird 2016 voraussichtlich bei 6,3 Prozent liegen.
Doch trotz der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums bleiben laut einer aktuellen Umfrage der AHK die größten HR-Herausforderungen für deutsche Unternehmen in China unverändert:
• rasant steigende Personalkosten,
• Schwierigkeiten bei der Rekrutierung sowie
• langfristige Mitarbeiterbindung

Personalkosten
Durch die aktuelle Wachstumsschwäche verringert sich der Druck der steigenden Lohn- und Gehaltskosten bei deutschen Unternehmen in China. Wir erwarten, dass sich die jährliche Lohn- und Gehaltssteigerung bei deutschen Unternehmen in China von aktuell 8,1 Prozent in 2015 in den nächsten drei bis fünf Jahren in Richtung 7 Prozent jährlich entwickeln wird (Grafik 1).
Die durchschnittliche Wachstumsrate sagt jedoch wenig über einzelne Berufsgruppen aus. Die tatsächlichen Wachstumsraten liegen je nach Einkommen weit auseinander. Während die Mindestlöhne für ungelernte Arbeiter je nach Standort zwischen 10 bis 20 Prozent jährlich wachsen, steigt das Einkommen hochbezahlter Expatriates und Top-Manager in China inzwischen kaum noch.
Trotz der sinkenden Lohn- und Gehaltssteigerung bleiben die regionalen und industriellen Unterschiede beim Lohn- und Gehaltsniveau bestehen. Die Region Shanghai bleibt der teuerste Standort für deutsche Unternehmen in China (Grafik 2). Deutsche Unternehmen der Chemie- und Automobilbranche zahlen in China die höchsten Gehälter (Grafik 3).

Umgekehrt sind die Zahlen aus den Gehaltsstudien (Compensation Studies) der großen internationalen Beratungsunternehmen für China fast immer zu hoch angesetzt – zumindest für mittelständische Unternehmen. Denn diese Gehaltsstudien gelten grundsätzlich nur für deren Klientel, zu der in erster Linie internationale Konzerne gehören (z. B. Fortune 500).Die besten Statistiken, die deutsche Unternehmen als Basis für ihr Gehaltsbenchmarking in China verwenden können,
sind daher die Lohn- und Gehaltsstudien der AHK in China („Labor Market and Salary Report“), die jährlich bei allen AHK-Mitgliedern in China durchgeführt werden. Hier werden die monatlichen Bruttogehälter deutscher Unternehmen in China veröffentlicht (Tabelle 1).

Fallstricke bei der Kalkulation der Personalkosten für China

Fast alle deutschen Unternehmen, die noch keine Niederlassung in China haben, nehmen fälschlicherweise an, dass die Höhe der Sozialbeiträge landesweit einheitlich sowie der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil gleich hoch wären und kalkulieren daher die Lohnzusatzkosten falsch.

In China ist die Herangehensweise jedoch eine andere, denn die Sozialversicherung ist hier lokal organisiert. Das bedeutet, dass jede Stadt andere Beitragsätze sowie Bemessungsuntergrenzen und -obergrenzen hat. Der Arbeitgeber trägt normalerweise circa zwei Drittel der Sozialbeiträge, während die Arbeitnehmer etwa ein Drittel der Beträge zahlen. Bei der Berechnung der monatlichen Personalkosten müssen daher die unterschiedlichen Bemessungsgrenzen sowie Beitragssätze für jeden einzelnen Standort ermittelt und verwandt werden.

Die unterschiedliche Höhe der Sozialbeiträge kann je nach Standort in der Regel fünf Prozent, im Extremfall bis zu zehn Prozent Differenz bei den gesamten Personalkosten ausmachen (Tabelle 2).

 

Rekrutierung

Viele deutsche Unternehmen haben Schwierigkeiten, in China qualifizierte Fach- und Führungskräfte für sich zu gewinnen. Einer der wesentlichen Gründe ist der geringe Bekanntheitsgrad des Unternehmens in China. Bis auf wenige große Konzerne wie Siemens und BASF oder Konsumentenmarken wie BMW und Zwilling kennen Chinesen fast keine deutschen Unternehmen. Umso wichtiger ist es, dass ein deutsches Unternehmen bei der Personalrekrutierung in
China stets betont, dass das Unternehmen aus Deutschland ist. Denn deutsche Unternehmen genießen in China einen guten Ruf.

Trotzdem haben inzwischen sogar namhafte deutsche Unternehmen Mühe, in China die besten Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Entscheidend hierfür ist ein wettbewerbsfähiges Entlohnungsmodell: Immer mehr chinesische Unternehmen bieten ihren Top-Mitarbeitern nach amerikanischem Vorbild Aktien oder Aktienoptionen an. Die meisten deutschen Unternehmen können oder wollen keine Aktien
oder Optionen an ihre Mitarbeiter in China ausgeben. Um trotzdem in der Konkurrenz gegenüber chinesischen Unternehmen zu bestehen, werden von uns stattdessen Entlohnungsmodelle entwickelt, die Aktien oder Aktienoptionen simulieren. Trotzdem sind wir der Meinung, dass eigentlich nichts dagegen spricht, dass deutsche Unternehmen – Familienunternehmen und Mittelständler – ihre Tochtergesellschaften in China an die Hongkong-Börse bringen, um den Mitarbeitern Aktien oder Aktienoptionen der chinesischen
Tochtergesellschaft anbieten zu können.

Wir erwarten, dass in den kommenden zwei bis drei Jahren die Rekrutierung von qualifizierten Fach- und Führungskräften in China durch die aktuelle Konjunkturschwäche erschwert wird, auch wenn man das Gegenteil vermuten mag. Es ist zwar richtig, dass die Nachfrage, d. h. die Anzahl der Stellenangebote in einer Konjunkturschwäche sinkt.

Aber das Angebot, die Anzahl der jobsuchenden qualifizierten Mitarbeiter, sinkt noch schneller, da Mitarbeiter große Risiken sehen, in einer schwachen Konjunkturphase den Arbeitsplatz zu wechseln.
Viele Unternehmen in China greifen bei der Rekrutierung auf Personalberater zurück. Dabei sollte man besonders darauf achten, dass der Personalberater gute Referenzen hat, eine exzellente Reputation bei deutschen Unternehmen genießt und nicht die Mitarbeiter des Unternehmens für andere Klienten abwirbt. Viele Personalberater in China rufen „ihre“ zuvor vermittelten Kandidaten jedes Jahr wieder an und bieten ihnen neue Stellen an. Dagegen helfen keine Verträge und Vereinbarungen, sondern nur der gute Ruf und
die einwandfreie Reputation des Beraters.

Darüber hinaus sollte man unbedingt ein gehaltsunabhängiges Festhonorar vereinbaren, damit der Berater nicht versucht, die teuersten Kandidaten zu empfehlen.

Mitarbeiterbindung

Durch die sinkende Anzahl der Jobofferten und das oben genannte Risiko-Vermeidungsverhalten sinkt derzeit die Fluktuationsrate bei fast allen deutschen Unternehmen in China. Trotzdem werden aktuell immer mehr Schlüssel-Mitarbeiter von chinesischen Wettbewerbern abgeworben. Außer den erwähnten Aktien und Aktienoptionen
bieten chinesische Unternehmen Wechselprämien an, die inzwischen über einer Million Renminbi liegen können. Beispielweise hat ein chinesischer Wettbewerber dem Key-Account-Manager eines deutschen Klienten aus der Automobil-Zulieferbranche angeboten, ihm ein Appartement in Shanghai im Wert von über 3 Millionen Renminbi zu schenken, falls er den Job wechselt und mindestens drei
Jahre bleibt.

Deshalb besteht ein effektives Mitarbeiterbindungsprogramm in China immer aus „Zuckerbrot und Peitsche“ (Incentives und Verträge). Zuckerbrot allein kann gegen die oben genannten massiven Anreize wie Aktien und Wechselprämien nichts ausrichten.

Auch wenn die optimalen Mitarbeiterbindungsmaßnahmen grundsätzlich für jeden Klienten nach dessen Besonderheiten und lokalen Gegebenheiten individuell entwickelt werden müssen, so gibt es tatsächlich auch Maßnahmen, die wir grundsätzlich allen deutschen Unternehmen in China empfehlen können:

Die hohe Fluktuation bei Fabrikmitarbeitern wird häufig durch Wanderarbeiter verursacht, die jährlich zum chinesischen Neujahr nach Hause fahren und nicht mehr zurückkehren. Deshalb kann die Fluktuation deutlich gesenkt werden, wenn auf die Einstellung von Wanderarbeitern verzichtet wird. Darüber hinaus ist die Bindung von Mit-arbeitern, die in der Nähe des Unternehmens wohnen und damit einen kurzen Arbeitsweg haben, erfahrungsgemäß auch deutlich stabiler. Eine Empfehlung wäre, durch große Schilder direkt vor dem Fabriktor Mitarbeiter zu suchen – so können Mitarbeiter aus dem lokalen Umfeld gewonnen werden. Über andere Rekrutierungswege wie z. B. die lokalen behördlichen „Job Markets“ und Internet-Jobbörsen angesprochene Bewerber wohnen häufig weit entfernt vom
Arbeitsort, gehen aber auf das Arbeitsangebot ein, wenn sie momentan dringend einen Job suchen. Viele von ihnen verlassen das Unternehmen, sobald sie einen Arbeitsplatz in Wohnungsnähe gefunden haben. Gute Manager und Vorgesetzte, die jährlich Karriere- und Gehaltsgespräche mit den Mitarbeitern führen und eine objektive, nachvollziehbare Mitarbeiter-Evaluierung vornehmen, senken die Fluktuation des Unternehmens deutlich.

Bekanntlich ist die Höhe des Gehalts kein Geheimnis in China – es gibt wenige Unternehmen, die tatsächlich die Vertraulichkeit der Gehälter durchsetzen können. Umso wichtiger ist es, Mitarbeitern mindestens einmal im Jahr ein Feedback hinsichtlich ihrer Performance zu geben und eine Zielvereinbarung zu treffen. Die Zielerreichung muss dann für die Höhe des Bonus sowie der Gehaltssteigerung ausschlaggebend sein. Dadurch fühlen sich die Mitarbeiter fair behandelt und geschätzt und bleiben länger im Unter-
nehmen. Die Schwierigkeit in der Praxis ist jedoch, dass die Mehrheit der chinesischen Manager konfliktscheu ist. Das heißt, sie loben gerne ihre Mitarbeiter, sprechen aber etwaige Probleme nicht an und äußern auch dann keine Kritik, wenn sie dies eigentlich als notwendig erachten. Von solchen Managern wird die Mitarbeiter-Evaluierung
ad absurdum geführt, weil fast alle Mitarbeiter Bestnoten erhalten.
Selbstverständlich helfen auch langfristige Karriereperspektiven sowie Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung zu steigern. Allerdings sind Schulungen ein zweischneidiges Schwert: Insbesondere Zertifikate und Zeugnisse werden von Mitarbeitern für die Bewerbung genutzt. Deshalb empfehlen wir, keine Zertifikate an Mitarbeiter auszugeben. Darüber hinaus kann man in China Schulungsvereinbarungen (Training Agreements) mit Mitarbeitern treffen: Der Mitarbeiter verpflichtet sich, nach der Schulung mindestens zwei oder drei Jahre beim Unternehmen zu bleiben.

Als effektivste „Peitsche“ hat sich das sogenannte nachvertragliche Wettbewerbsverbot erwiesen, das einen Mitarbeiter verpflichtet, nach dem Jobwechsel bis zu zwei Jahre – dies ist die gesetzlich maximal erlaubte Dauer in China – nicht für Wettbewerber zu arbeiten. Ebenso wie in Deutschland muss man in China für solch ein Verbot auch
eine Kompensation zahlen, sodass eine solche Vereinbarung
nur bei wenigen Schlüsselpositionen sinnvoll ist.

Fazit

China ist längst kein Billiglohnland mehr. Die Lohnstückkosten in China sind inzwischen genauso hoch wie in Mexiko – sodass z. B. US-Firmen ihre Investitionen in China massiv zurückfahren. Für deutsche Unternehmen hat es keinen Sinn mehr, China als verlängerte Werkbank nutzen zu wollen.

Dieser Beitrag ist erschienen in:

DCW Jahrbuch 2016

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