Haftungsrisiko erfordert ein wachsames Auge

Dr. Kuang-Hua Lin
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An Kreativität mangelt es Betrügern innerhalb eines Unternehmens in China nicht. Mit gefälschten Hotelrechnungen werden teils Millionen am Rechnungswesen vorbei geschleust. Häufig haftet der deutsche Geschäftsführer – auch wenn er von den Praktiken nichts weiß. Nur regelmäßige Kontrollen können dem Einhalt gebieten.

Das boomende China-Geschäft bietet deutschen Unternehmen nicht nur Chancen, sondern birgt auch bisher unbekannte Risiken. So entstehen Haftungsfälle bereits bei Import-/ExportGeschäften mit China auch ohne eigene Tochtergesellschaft vor Ort. Für manche Produkte, vor allem für sogenannte Dual-Use-Güter, besteht Genehmigungspflicht. So müssen deutsche Behörden die Ausfuhr genehmigen und chinesische die Einfuhr.

Der häufigste Fallstrick in der Praxis ist Verschlüsselungshardware, die in China unter strengster Genehmigungspflicht steht – bei Androhung empfindlicher Strafen. Dazu gehören Dongles, Router mit Verschlüsselungsfunktion, aber auch Maschinen. Immer mehr deutsche Maschinenbauer verwenden Hardwareverschlüsselung, um ihre eigene Programmierung zu schützen, ohne dies jedoch beim Export nach China entsprechend zu deklarieren. Ein anderes bekanntes Problem sind falsche Angaben bei der Produktspezifikation, sodass die Importeure in China Importvergünstigungen erschleichen können. Es saßen bereits Handelsreisende aus Deutschland in China wegen Beihilfe zur Zoll- und Steuerhinterziehung im Gefängnis, nur weil die Spezifikation um wenige Zentimeter falsch war.

Darüber hinaus gilt das chinesische Antimonopolgesetz nicht nur für inländische Unternehmen und nicht nur für Konsumgüter. Grundsätzlich müssen alle deutschen Unternehmen, die ihren Händlern und Distributoren in China einen (Mindest-)Verkaufspreis vorschreiben, Untersuchungen und Strafen fürchten.

 

Operatives Geschäft und Haftung vereinen

Weitere Risiken und Haftungsfälle entstehen für Inhaber einer Tochtergesellschaft in China. Viele Deutsche lassen sich bei der chinesischen Behörde etwa als „Legal Representative“ registrieren. Ein solcher hat ähnliche Pflichten und Verantwortungen wie ein GmbH-Geschäftsführer in Deutschland. Jedoch kann ein Deutscher die operativen Details in China wegen fehlender Sprachkenntnisse kaum selbst kontrollieren. Häufig muss er blind chinesischen Mitarbeitern vertrauen, haftet aber persönlich. Da das Strafmaß in China überdies höher als in Deutschland ist, sollte die Person, die tatsächlich das operative Geschäft vor Ort führt (in der Regel der chinesische General Manager), auch als Legal Representative bei der Behörde eingetragen werden. Handeln und Haftung sind damit in einer Person vereint. In der Praxis haftet der Legal Representative für:

Steuerhinterziehung (Artikel 201, chinesisches Strafgesetz: Gefängnisstrafe von bis zu sieben Jahren)

Die Hinterziehung von Lohnsteuer und Sozialabgaben durch eine zu niedrige Angabe der Mitarbeitergehälter bei der Behörde ist in China derart verbreitet, dass viele Finance Manager dies auch ohne Aufforderung durch die Geschäftsführung tun. Darüber hinaus werden Steuervergünstigungen häufig unberechtigt beantragt, vor allem durch den sogenannten Hightech-Status, bei dem das Unternehmen anstatt 25% nur 15% Körperschaftsteuer zahlen muss. Wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, gleicht eine solche unberechtigte Steuervergünstigung einer Steuerhinterziehung. Es ist daher dringend zu empfehlen, entweder die komplette Buchhaltung oder zumindest die monatliche Kontrolle der korrekten Berechnung und Abführung der Sozialbeiträge und Steuer an einen vertrauenswürdigen externen Dienstleister zu übergeben, den man am besten in Deutschland in Regress nehmen kann.

Schwerer Arbeitsunfall (Artikel 135, chinesisches Strafgesetz: Gefängnisstrafe von bis zu sieben Jahren)

Wenn jemand bei einem Arbeitsunfall oder Fabrikbrand stirbt, bringt die chinesische Behörde gern die Verantwortlichen ins Gefängnis. Ein Legal Representative einer Fabrik kann sich nur davor schützen, wenn alle Produktionssicherheitsvorschriften eingehalten werden. Da sich die Vorschriften in China fast monatlich ändern, stellt die Erfüllung aller Vorschriften eine echte Herausforderung dar. Es ist daher unbedingt ratsam, einen staatlich lizensierten Produktionssicherheitsbeauftragten in jeder Fabrik einzusetzen. Diese Person ist für die Einhaltung aller Produktionssicherheitsvorschriften und für Arbeitsicherheit zuständig und haftet auch dafür.

Bestechung im geschäftlichen Verkehr (Artikel 164, chinesisches Strafgesetz: Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren)

Spätestens seit der Verurteilung von fünf Topmanagern von GlaxoSmithKline China zu jeweils zwei bis vier Jahren Gefängnis ist das hohe chinesische Strafmaß für Bestechung auch in der westlichen Welt bekannt. Es reicht leider nicht, interne Vorschriften (wie ein Employee Handbook, einen Code of Conduct und Compliance-Vorschriften) gegen Bestechung und Bestechlichkeit zu haben. Der Arbeitgeber muss auch für deren Durchsetzung sorgen. Eine gängige Praxis ist etwa die Abrechnung unberechtigter Bewirtungs- und Hotelrechnungen beim Arbeitgeber. Restaurants und Hotels haben häufig einen großen Vorrat an ungenutzten amtlichen Belegen, die sie gegen Entgelt an Leute verkaufen können, die Spesenbelege brauchen. Um die korrekte Abrechnung von Spesen kontrollieren zu können, sollten Mitarbeiter gemeinsam mit den amtlichen Belegen (Fapiao) auch deren Verwendungszweck dokumentieren (mit welchem Kunden etwa gegessen wurde) und persönlich unterschreiben. Eine andere bekannte gängige Praxis ist es, Guthabenkarten von Supermärkten zu kaufen. Damit werden Einkäufer oder andere Kontaktpersonen beim Kunden zu wichtigen Feiertagen „beschenkt“. Man bekommt für diese Guthabenkarten nicht nur ein Fapiao, sondern man kann sich sogar noch wünschen, ob auf den Belegen Schreibwaren, Computerzubehör oder Ähnliches stehen soll. Dies schränkt widerum nicht ein, was der Beschenkte später mit dem Guthaben tatsächlich kaufen kann. Eine „schwarze Kasse“ für Bestechung oder die eigene Tasche kann ein chinesischer General Manager auch aufbauen, indem er Hotelkosten für deutsche Gäste in China absetzt, die die Gäste selbst getragen haben. Über das Einreichen eines Fapiao bekommt er diese Hotelkosten „erstattet“ und kann mit dem Geld machen, was er will.

 

Interne Revision als wichtigstes Kontrollinstrument

Die Möglichkeiten von Haftung und Risiken im China-Geschäft sind also vielfältig und durch die sprachliche Barriere und zahlreiche chinesische Besonderheiten für Deutsche schwer zu durchblicken. Deshalb empfiehlt es sich, mindestens einmal alle zwei Jahre eine ausführliche interne Revision in der chinesischen Niederlassung durchzuführen, um eventuelle Probleme und Risiken aufzudecken beziehungsweise ihnen vorzubeugen.

Am häufigsten werden bei solch einer Revision aufgedeckt:

  • die Zahlung einer ungewöhnlich hohen Provision für Agenten (teils über 50% des Umsatzes) sowie Provisionszahlungen an Agenten gegen Hotelbelege statt deren Verkaufsrechnungen
  • hohe Bargeldzahlungen an eigene Mitarbeiter – angeblich zur Weiterleitung an Dienstleister –, jedoch ohne Verträge und gültige Verkaufsrechnungen
  • Hinterziehung der Einkommensteuer für Expatriates und chinesische Führungskräfte durch eine „Umwandlung“ der Gehälter auf ein Spesenkonto. In einem extremen Fall hat sich ein chinesischer Geschäftsführer sein gesamtes Einkommen in Höhe von 1,2 Mio. Yuan (umgerechnet 157.400 Euro) komplett gegen gesammelte Spesenbelege auszahlen lassen, ohne einen Cent Einkommensteuer und Sozialabgaben zu zahlen.
  • Viele Spesenbelege von deutschen Expatriates und chinesischen Führungsmitarbeitern sind offensichtlich „gekauft“, wie in einem Fall, als ein chinesischer Geschäftsführer mehrere Hotelbelege jeweils über 10.000 Yuan eingereicht hat, die alle am gleichen Tag und vom selben Hotel ausgestellt worden waren.
  • fehlende Abschreibung überfälliger und aussichtloser Forderungen, damit die Firma mehr Gewinn ausweist und der Geschäftsführer mehr Bonus erhält.
  • Nichteinhaltung der von der deutschen Muttergesellschaft vorgeschriebenen Zahlungsbedingungen und Kreditrahmen für Kunden. Im SAP-System stehen aber die vorgeschriebenen Angaben vom Headquarter, um den Verstoß gegen die Vorschriften zu verschleiern.

Sämtliche Missstände dieser Beispielfälle wurden bei der Prüfung von externen Wirtschaftsprüfern nicht identifiziert. Deshalb ergibt die interne Revision nur dann Sinn, wenn vertrauenswürdige externe Dienstleister sie durchführen, die gängige Tricks in China kennen.

Dieser Beitrag ist erschienen in:

Asia Bridge, 12:2014

Bildquelle: @ Andrey Popov – shutterstock.com

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