Firmenübernahme in China - Ein Erfahrungsbericht

Dr. Kuang-Hua Lin
Closeup of shiny dark table and chairs in conferece room interior with city view and daylight. 3D Rendering

Bei grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen wird besonders deutlich, dass interdisziplinäre Kompetenz ein absolutes Muss ist. Neben einem fundierten Know-how des Prozesses und der steuerlichen und rechtlichen Unterschiede spielt vor allem die zwischenmenschliche Komponente eine große Rolle, um Schlüsselpersonen einbinden und kulturelle Unterschiede berücksichtigen zu können.

Die meisten M&A-Projekte mit Beteiligung von Familienunternehmen verlaufen, ohne dass die Öffentlichkeit Einzelheiten erfährt. Die Beteiligten legen Wert auf Verschwiegenheit. Im Jahr 2012 führte Asia-Pacific Management Consulting für ein in der Schweiz börsennotierter Industriekonzern eine M&A-Transaktion in China durch. Durch die Pflichtmitteilungen und Jahresberichte wurden kritische Informationen über den Deal bereits öffentlich gemacht, so dass rückblickend über dieses erfolgreiche M&A-Projekt berichtet werden kann.

 

Einfach zu finden, schwer zu überzeugen

Für den Käufer war die Suche und Auswahl des Targets erst einmal einfach: In China gab es lediglich einen einzigen großen Hersteller von Dichtungen für Autobremsen. Bei dieser Art von Produkt sind die Kunden – 1st-Tier-Lieferanten wie Bosch, Continental, TRW – auf einwandfreie Produkte angewiesen, um die Sicherheitsanforderungen erfüllen zu können. Die Probleme begannen jedoch nach der Identifizierung dieses einzig möglichen Targets in China:

  • Die Eigentümer des Unternehmens – ein chinesisch-koreanisches Joint Venture – waren zunächst nicht an einem Verkauf interessiert. Die chinesische Seite schien noch gesprächsbereit zu sein, für sie war es nur eine Frage des Preises. Die koreanischen Shareholder hingegen lehnten jede Diskussion über einen möglichen Verkauf ab, trotz mehrerer Besuche des Schweizer Unternehmens.
  • Der chinesische Inhaber des Targets, ein Patriarch alter Schule, hatte in der deutschen Automobilbranche einen Ruf als unliebsamer Geschäftspartner und sogar als Betrüger. Er hatte früher ein Joint Venture mit einem namhaften deutschen 1st-Tier-Zulieferer. Bekannt war, dass er alle Mitarbeiter des Joint Ventures abwarb, so dass dieses in Konkurs ging. Aufgrund dieser Schwierigkeiten beschloss das Schweizer Unternehmen, das in M&A-Projekten durchaus sehr erfahren ist und pro Jahr mehrere Akquisitionen weltweit tätigt, externe Hilfe zu holen.

 

Chinesischer Verkäufer im neuen Licht

Bei der Hintergrundrecherche stellte sich heraus, dass der chinesische Inhaber in der Region ein hoch geachteter Unternehmer ist. Trotz seines hohen Alters von 70 Jahren galt er als fleißiger und disziplinierter Unternehmenslenker und gehörte zu den zehn größten Spendern für wohltätige Zwecke in China. Er hat zahlreiche Schulen in China gestiftet, zeigte sich selbst aber in seinem Lebensstil sparsam und bescheiden. Das passte nicht recht zu dem Bild des „gierigen Betrügers“, das von dem ehemaligen deutschen Joint-Venture-Partner verbreitet wurde. Daher erschien es sinnvoll, die genauen Umstände des gescheiterten Joint Ventures zu hinterfragen. Es stellte sich heraus, dass dem chinesischen Inhaber bei einem unangemeldeten Besuch seines Joint Ventures vom deutschen Geschäftsführer der Zutritt verweigert worden war. Daraufhin kam es zu einer Szene am Werkstor, worauf der deutsche Geschäftsführer des deutschen Joint Venture-Partners ihm lebenslanges Hausverbot erteilte. Darüber war der chinesische Patriarch so ungehalten, dass er alle Mitarbeiter des Unternehmens von dem Gemeinschaftsunternehmen abzog und es in Konkurs gehen ließ. Somit erschien der Vorfall in einem neuen Licht. Nicht Geldgier lag seinem Verhalten zugrunde, sondern ein Gesichtsverlust und eine persönliche Kränkung. Die Nachforschungen ließen den Schluss zu, dass er als Verkäufer durchaus vertrauenswürdig ist, sofern er mit Respekt behandelt wird.

 

Koreanischer Shareholder stimmt zu

Als nächstes galt es, den koreanischen Shareholder des Zielunternehmens zu überzeugen, seine Anteile zu verkaufen. Er hatte sich anfangs immer wieder geweigert, über das Thema zu sprechen, trotz mehrerer Besuche des Schweizer Unternehmens. Am Ende ließ er sich während eines einzigen Treffens überzeugen, das Zielunternehmen in China zu verkaufen. Der Grund für seine ursprüngliche Weigerung war einfach: Seine Fabrik in Korea war von den Zulieferteilen aus China abhängig. Sollte er sein Joint Venture in China verkaufen, würde damit seine Fabrik in Korea die Existenzgrundlage verlieren. Allerdings sprach er dieses Problem aus Stolz nicht an. Und hier zeigte sich, dass geschäftliche Verhandlungen nicht nur in Konferenzräumen stattfi nden: Mit viel Einfühlungsvermögen und einem geselligen Umtrunk gelang es schließlich doch, ihm die Wahrheit zu entlocken. Überzeugen ließ er sich schließlich durch das Angebot, seine Fabrik in Korea ebenfalls aufzukaufen. Damit war auch diese letzte Hürde genommen. Nachdem beide Joint-Venture-Partner einem Verkauf zugestimmt hatten, gingen die eigentlichen Verhandlungen sehr schnell. Einschließlich des Due-Diligence-Prozesses dauerte es lediglich fünf Monate bis zum Signing, danach nochmals zwei Monate bis zum Closing. Das mag ungewöhnlich kurz erscheinen und ist auch nur dann möglich, wenn das gesamte Projekt einschließlich der Verhandlungen aus einer Hand gemanagt wird.

 

Entscheidende Erfolgsfaktoren

Die Übernahme entwickelte sich zu einem nachhaltigen Erfolg. Die Jahresergebnisse seit der Transaktion haben die Prognosen stets übertroffen. Was macht diesen Erfolg letztendlich aus?

  • Noch vor der Übernahme wurden rund 140 „Key-Employees“ – nicht nur Manager, auch technische Mitarbeiter – in einer HR-Due- Diligence identifi ziert und Mitarbeiterbindungsprogramme defi niert, um diese Gruppe auch nach dem Kauf im Unternehmen zu halten. Als ein spezielles Problem – und eine Besonderheit des chinesischen Verkäufers – stellte sich ein Phantom-Share-Programm für Führungskräfte heraus. Dieses wurde durch ein vergleichbares Programm ersetzt, das konkurrenzfähig und für den Käufer bezahlbar ist. Weitere Mitarbeiter wurden über ein Betriebsrentenprogramm an das Unternehmen gebunden. Auch nach vier Jahren sind über 90% der Key Employees in dem Unternehmen geblieben.
  • Die Bezahlung des Kaufpreises wurde über einen Earn-out-Mechanismus über drei Jahre gestreckt, so dass der Verkäufer daran interessiert war, dass das Unternehmen auch nach der Transaktion weiter gut lief.
  • Im Gegensatz zu den meisten Firmenkäufern, die fast alle sofort nach der Übernahme ihr unternehmenseigenes System in China einführen, hat die Schweizer Gesellschaft ein Jahr lang die bestehenden Verfahrensweisen beobachtet und studiert. Erst danach fing man damit an, das jeweils Beste aus den beiden Systemen und Methoden in China und der Schweiz auszuwählen und zu integrieren.

 

Fazit

Der nachhaltige Erfolg des Schweizer Käufers basiert letztendlich auf dem fundamentalen Respekt für Menschen anderer Herkunft und Kulturen. Der Ansatz, die Beweggründe der Geschäftspartner und deren Mitarbeiter zunächst verstehen zu wollen und darauf flexibel zu reagieren, war hierfür entscheidend.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Rückblick auf eine Übernahme in China – Lehren aus der Praxis“ erschienen in:

M&A China/Deutschland 4/2016 Unternehmeredition

Bildquelle: @ Peshkova – shutterstock.com

Comments are closed.