China: 10% mehr Gehalt im Jahr – kein Muss

China: 10% mehr Gehalt im Jahr - kein Muss

Ein Interview mit Dr. Kuang-Hua Lin Lin, Geschäftsführer von APMC

Dr. Kuang-Hua Lin
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Chinesischer Geschäftsführer oder doch ein deutscher? Und jährlich automatisch zehn Prozent mehr Gehalt für alle Mitarbeiter? Tipps für die Personalstrategie ausländischer Unternehmen in China gibt der Geschäftsführer der Düsseldorfer Asia-Pacific Management Consulting GmbH, Lin Kuang-hua.

Herr Lin, wenn es um die Besetzung der Position des Geschäftsführers eines ausländisch investierten Unternehmens in China geht, plädieren die einen für einen »teureren« Expat, die anderen für einen Chinesen. Was empfehlen Sie?

Zu glauben, Chinesen seien wesentlich günstiger als Expatriates, ist falsch. Besonders bei vertriebsorientierten Geschäftsführer-Positionen verdienen viele gut qualifizierte chinesische Geschäftsführer inzwischen genauso gut, teilweise sogar noch besser als Expats. Bei unseren zahlreichen deutschen Klienten in China bezieht seit 2012 ein Chinese aus der Automobil-Zulieferbranche das höchste Gehalt in China. Falls der Geschäftsführer in China sich hauptsächlich um Vertrieb und Key-Accounts kümmern soll, ist es besser, einen Chinesen einzusetzen. Expats fehlen zumeist die notwendigen sprachlichen und kulturellen Kenntnisse, um den Sales-Job und die notwendige Beziehungspfl ege zu beherrschen. Geht es aber hauptsächlich um Produktion und Qualitätssicherung, ist ein deutscher Expatriate oft besser. Viele unserer mittelständischen Kunden haben in der Tat chinesische Geschäftsführer und deutsche Produktionsleiter in China. Abzuraten ist von der Praxis einiger Mittelständler, Expatriates als CFO oder Controller in China einzusetzen. Denn Expatriates können die Verträge und Belege in Chinesisch nicht lesen und müssen chinesische Mitarbeiter damit beauftragen und ihnen vertrauen. Mit anderen Worten: Trotz
der teuren Expatkosten machen in Wirklichkeit doch die chinesischen Mitarbeiter die Arbeit. Wir empfehlen Mittelständlern in China grundsätzlich, die komplette Buchhaltung und Controlling-Aufgaben an vertrauenswürdige Dienstleister outzusourcen, die am besten in Deutschland vertreten sind und gegenüber dem Mutterhaus Verantwortung und Haftung übernehmen.

Wie kann ein deutsches Unternehmen für Loyalität seines chinesischen Geschäftsführers in China sorgen?

Loyalität, Integrität sowie Compliance-Probleme sind nicht nur ein Thema bei chinesischen Geschäftsführern. Bei Expatriates kommen solche Probleme vor, seltener zwar, doch der Schaden ist oftmals weit größer.
Vorbeugung fängt bereits bei der Rekrutierung und Personalauswahl an. Außer der Qualifi kation müssen auch Persönlichkeit, Integrität, Stabilität und Referenzen sorgfältig geprüft werden. Ausführliche Gespräche mit ehemaligen Arbeitgebern und Vorgesetzten, und zwar nicht nur denjenigen, die die Bewerber selber angegeben haben, sind zu empfehlen. Für die Loyalität und langfristige Bindung an das Unternehmen sind neben bestimmten Incentives, etwa leistungsorientierte Entlohnung, betriebliche Rente, Career-Development-Programm, vor allem gute Arbeitsverträge entscheidend, in denen zum Beispiel längere Kündigungsfristen und gegebenenfalls nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden. In China haben in jüngster Zeit verschiedene Wettbewerber deutscher Mittelständler versucht, Schlüssel-Mitarbeiter mit Angeboten von Aktien, Aktienoptionen oder Wohnungen im Wert von mehr als 300.000 Euro abzuwerben. Gegen diese aggressiven Abwerbungsversuche hilft keine Maßnahme zur Mitarbeiterbindung, sondern nur das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Dieses kann für einen Zeitraum von zwei Jahren vereinbart werden. Viel entscheidender ist eine permanente Kommunikation, und zwar nicht nur mit dem Geschäftsführer, sondern mit der gesamten zweiten Führungsebene. Nur so lassen sich mögliche Prob leme rechtzeitig erkennen. Deshalb ist es wichtig, dass das deutsche Mutterhaus die Rekrutierung der zweiten Führungsebene nicht allein dem
Zehn Geschäftsführer in China überlässt. Sonst besteht die große Gefahr, dass alle Mitarbeiter Freunde und Verwandte des Geschäftsführers sind. Deshalb empfehlen wir allen Klienten, bei der Rekrutierung der zweiten Führungsebene entweder die Rekrutierung selbst in die Hand zu nehmen, oder zumindest bei Interviews und Auswahl persönlich dabei zu sein, um die korrekte Auswahl zu gewährleisten sowie die Loyalität der Mitarbeiter zu sichern.

Chinesische Mitarbeiter erwarten oft, dass das Gehalt jährlich um wenigstens zehn Prozent steigt. Wie kann ein Unternehmen dieser »Gehaltsspirale« entkommen?

Eine pauschale einheitliche jährliche Gehalts- und Lohnsteigerung ist die denkbar schlechteste Möglichkeit, Gehälter in China anzupassen. Damit werden die gut verdienenden Manager immer überbezahlt, während das Unternehmen ständig Gefahr läuft, die besten Facharbeiter und Ingenieure zu verlieren. Selbstverständlich kommen findige Mitarbeiter immer mit der Pressemeldung zum deutschen Chef, dass die Gehälter in China jährlich um zehn Prozent steigen würden. Diese Durchschnittszahl sagt aber wenig über die Realität aus. Tatsache ist, dass bei den niedrigen Einkommensgruppen die Gehälter überproportional steigen, also jährlich um zehn bis 15 Prozent, während die gut bezahlten Top-Manager in der Regel nur noch weniger als fünf Prozent mehr Geld pro Jahr bekommen, wenn überhaupt. Im Schnitt steigen die Löhne und Gehälter deutscher Unternehmen in China um etwa acht Prozent im Jahr. Auch eine pauschale Gehaltssteigerung nach Positionen und Seniorität ist nicht der richtige Weg. Sie muss leistungsorientiert sein. Voraussetzung dafür ist nicht nur eine jährliche Leistungseinschätzung der Mitarbeiter. Notwendig ist ebenso ein jährliches Feedback- und Zielvereinbarungsgespräch, um Mitarbeitern gegenüber zu erläutern, was sie bisher gut oder schlecht gemacht haben, wo sie sich verbessern müssen und warum sie mehr oder weniger als die durchschnittliche Gehaltssteigerung bekommen haben, und welche Karrierechancen sie im Unternehmen erwarten können. Chinesische Manager sind aber oft konfliktscheu: Sie erzählen Mitarbeitern gern, was sie gut gemacht haben, aber nicht umgekehrt. Ohne funktionierendes Feedback-Gesprächssystem können aber Gehälter nicht nach Leistung angepasst werden, weil die Mitarbeiter sofort Vetternwirtschaft oder Seilschaften vermuten, wenn ihnen die Gründe für eine Entscheidung nicht erläutert werden. Dann kann die Firma gerade die besten Mitarbeiter verlieren.

Dieser Beitrag ist erschienen in:

ChinaContact, 06/2015

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